zu Makarenko "Der Weg ins Leben"

Ich habe das Buch antiquarisch ergattert und angefangen es zu lesen: Makarenko „Der Weg ins Leben“. Es lässt sich lesen – aus verschiedenen Blickrichtungen. Wer es nur als „schöngeistige Literatur“ delektieren möchte, wird weniger auf seine Kosten kommen. Wer die Anfänge der „Sowjetmacht“ in Russland / der Sowjetunion verstehen will, erlebt, erahnt und erfühlt schon mehr. Zwar kann man eine Gesellschaft nicht allein an ihren jungen Verbrechern festmachen, aber die vielen Details lassen eine Lebenswelt sichtbar werden, die vieles verständlich macht.
Wer es – wie zu DDR-Zeiten oft – als Grundwerk der Pädagogik zu lesen versucht, sollte vorsichtig sein. Das ist Autobiographie, sehr persönlich geschrieben und vom Helden positiv gedeutet, wo es pädagogisch zu verallgemeinern wäre. Entscheidender ist die dem Text innewohnende Menschlichkeit. Sie macht es schwierig, Fehler wirklich als Fehler zu sehen. Natürlich wirft es sich Makarenko vor, zweimal „ausgerastet“ zu sein – zu Beginn vor dem Anfangsscheitern und in der Auseinandersetzung um den Antisemitismus der Zöglinge. Hätte er aber „pädagogisch“ gehandelt, wäre relativ früh untergegangen und das „schmähliche“ Ende der Judenmobberei wäre auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Makarenko zeigt genau genommen, dass wichtiger als JEDES Prinzip das tief empfundene Engagement für die Sache, die menschliche Anteilnahme ist. Die Ausraster als Prinzip bedeuteten „Stalinismus“ - im Geschehen waren sie das für die Jugendlichen verständliche Zeichen der Verletztheit, des Schmerzes, „Ich hab es doch gut gemeint und ihr ...“ Aber eben nicht als floskelhafter Vorwurf, sondern als spontane Reaktion.
Vielleicht sollte man doch das Verhältnis „der Gesellschaft“ zu ihren jugendlichen Außenseitern überdenken. Was dort beschrieben wird ist eine Mischung aus Strafkolonie für jugendliche Verbrecher (außer Mördern) und Heim. Mitunter steht der „Held“ richtig hilflos vor der „kriminellen Energie“ seiner Schützlinge. Aber nie fällt er in eine Haltung „Die Jugend von heute“. Er kämpft mit seinen Mitteln. Es sind nicht immer die, die ich gelernt habe. Er verweigert das Prinzip KEINEN fallen zu lassen.
Manchmal fürchte ich, dass die heutige Gesellschaft auf ein Niveau herabfallen könnte, dass einen Makarenko nötig macht. Manchmal aber sage ich mir, wir brauchen wieder Menschen mit einem solch bedingungslosen Elan, um den Karren, der schon zu mehr als 2/3 überm Abgrund hängt, wieder zum Fahren zu bringen ...  

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