Romanprojekt "Kori ado Ko" - Leseprobe (Anfang)

Teil 1
Die Ankunft der Breeze

Ela Lasen
Es juckt, als läge Ela auf einem Ameisenhaufen. Am Rücken ist ihre Kleidung zerfetzt. Ela graust. Sie träumt also nicht, und wenn ihre Sinne so allmählich wiederkommen, dann muss etwas passiert sein. Ein Schlag auf den Kopf, ein Unfall, Sturz, eine OP… Etwas, woran sie sich nicht erinnern kann. Sie begreift noch nicht einmal, womit sie bekleidet ist. Auf jeden Fall schützt sie der hinten offene Anzug nicht vor dieser Schilfwiese. Ja, diese seltsamen Pflanzen ähneln Schilf. Aber was …
Gelandet… Der Wortfetzen drängt sich in ihr Gedächtnis. Sie war in einem Shuttle…
Sie versucht sich zuzureden: Komm, Ela, steh erstmal auf! Sie stöhnt. Die Stängel wachsen dicht an dicht, mehr als einen halben Meter hoch. Ela braucht nur einen anzutippen, schon schießt er Unmengen winziger Samenpfeile auf sie ab. Ihr Anzug ist bereits milchig grün. Am Rücken, an den Händen, am Hals und im Gesicht, überall dort, wo die Haut ungeschützt ist, juckt es unerträglich.
Ela liegt inmitten einer Lichtung. Zur Krönung steht die fremde Sonne gerade im Zenit. Ihre brennend heißen Strahlen unterscheiden sich von denen der irdischen durch einen schwachen Violett-Ton. Dadurch erscheint das gesamte Bild unwirklich.
Ela ruft sich zur Ordnung: Sieh nicht nach oben! Wieder blinkt ein Erinnerungsfetzen auf: Eigentlich müsste sie einen Schutzanzug anhaben. Der ist Pflicht! Keiner darf ohne nach draußen. Keime, Strahlung…
Warum auch immer: Sie steckt in keinem Schutzanzug.
Die Lichtung ist von Wald umgeben: Bäume, deren Kronen oben ein ineinander verschlungenes Gewirr bilden, dass nicht zu erkennen ist, wann der eine aufhört und der andere anfängt. Unten sind nur nackte Stämme zu sehen, ähnlich wie Ela sie von durch Menschen angepflanzten Kiefern kennt. Ela geht los. Nach der Hälfte des Weges ist die Hose zerfetzt, und ihre Beine brennen wie nach einem Überfall von Mörderbienen. Aber es hilft nichts. Sie überwindet auch den Rest der Strecke und sinkt erschöpft im Schatten nieder. Verunsichert überlegt sie noch immer, was mit ihr sein könnte, ob sie Fieberwahnvorstellungen hat, krank ist … Mehr als ihre heiße Stirn und die allgemeine Schwäche kann sie nicht feststellen. Sie bräuchte eines der Notfallsets, das jeder aus der Mannschaft während der Einsätze bei sich trägt.
Mannschaft …? Einsätze …? Notfallset …? Die Zeit, mit der diese Begriffe verknüpft sind, kann nicht lange zurückliegen. Was ist nur geschehen? Ela will sich unbedingt erinnern, aber irgendetwas blockiert den Versuch.
Inzwischen ist sie furchtbar müde. Aber die Angst. Ela will unbedingt wach bleiben. Zwar hat sie bisher noch kein einziges Tier gesehen. Aber welches Lebewesen verirrte sich bei dieser Mittagshitze auch auf die ungeschützte Lichtung? Vielleicht gibt es so etwas wie kollektiven Mittagsschlaf. Oder die Tiere kennen einfach das Teufelsgras. Oder alles zusammen. Vielleicht wartet aber schon ein Raubtier im Hinterhalt auf Zeichen der Schwäche bei seiner künftigen Beute. Auf Elas Schwäche also.
Ela fühlt sich ausgelaugt. Sollte sie diese Bäume nicht genauer ansehen? Leider gibt es unmittelbar über dem Boden doch dichtes Buschwerk. Hier könnten sich Schlangen und andere gefährliche Tiere verbergen. Ela versucht sich auszuruhen, doch Knacken und Rascheln, Zirpen und Schreie halten sie in einem Zustand zwischen Schlafen und Wachen, bis es völlig dunkel geworden ist.

… „Commander, hier … der Kurs ist nicht zu halten. Wir driften auf Omega3 zu.“
„Piet, Erklärung? Gravitation?“
„Nein, nichts, was uns anziehen könnte.“
„Eine nicht natürliche Quelle?“
„Keine Daten!“
„Du musst gegensteuern!“
„Was meinst du, was ich mache? Ich halt mit vollem Schub dagegen. Wir werden trotzdem immer schneller! Unsere Leistung reicht nicht …“
Piets Gesicht. Entsetzen. Jenny hat die Augen geschlossen. Gila kreischt. Ein schwarzes Loch? Der Tod. Aber das hätten sie doch vorher erkennen müssen! Die Messgeräte spinnen.
Jetzt sind es fünf Gesichter. Macs. Gilas. Jennys. Piets. Ihr eigenes. Ela sieht in ihr Gesicht. Blitze, Druck. Es geht alles so unbegreiflich schnell.
„Ein Notsignal. Unsere Position. Wenigstens als Warnung.“
„Ich hab keine Koordinaten!“
„Gila, dann nimm die letzten, die …“
Schwere. Eine wahnsinnige Schwere. Das müssen mehr als zehn G sein. Der Tod. Ela kann ihren Kopf nicht mehr bewegen. Alles wird schwarz. Für einen Moment nur blitzt der Gedanke auf: Umsonst …

… Ela schreckt auf. Tot? Ist sie …?
Nein, tot nicht. Diese Albtraumvision war real. Aber vorbei. Vielleicht ein paar Stunden alt. Zwischen diesen Bildern und dem Jetzt muss etwas Rettendes geschehen sein. Ela versucht sich zu erinnern. … Nichts, verdammt: Von dem Moment an, als diese ungeheure Kraft sie in ihren Kontrollsessel gepresst hat, findet Ela absolut nichts in ihrem Gedächtnis. Nun liegt sie sicher unter einem Baum, und weit und breit sind keine Trümmerspuren zu sehen. Das heißt, wenn sie wirklich abgestürzt sind, dann nicht hier. Und jemand muss sie aus dem Discover geholt haben. Dieser Jemand hat möglicherweise auch die anderen gerettet. Demnach ist sie nicht allein auf diesem Planeten ...

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