Vielleicht war ich am Samstag noch von
„meiner“ Donnerstagsemanze für das Thema sensibilisiert. Auf
jeden Fall mochte ich über den Scherz, wenn es denn überhaupt einer
gewesen sein sollte, nicht lachen: Nachdem ein 30-köpfiger Vorstand
mit drei beigemischten Frauen (eine davon mit prominenter Beziehung
zur Vereinslegende) gewählt war, ging es um die Wahl der einzeln zu
Wählenden. Die Vertreter nach §26 BGB waren schon gewählt, eine
der drei Frauen war dazugewählt, da wurde ein Mann zur Wahl
vorgeschlagen mit der Begründung, es bedarf eines Ausgleichs
(wörtlich weiß ich es nicht mehr) der Geschlechter. Ich konnte da,
obwohl ich den Herrn überhaupt nicht kannte, nicht zustimmen – zum
Preis, die einzige Nicht-Ja-Stimme gewesen zu sein.
Der Rechenschaftsbericht des Genossen
Professor Rolf Berthold war in Inhalt in Form beeindruckend positiv.
Und doch blieb aus seinen vielen Vortragsseiten ein Satz übrig, der
unglücklicherweise auch später nicht aufgenommen wurde: (wieder
sinngemäß): Die Geschichte lasse sich nicht vorwärts drängen.
In der Unbedingtheit der Behauptung
eine Katastrophe. Wie viele Erläuterung trägt Marx zusammen, um zu
einer vergleichbar skurrilen Formulierung zu kommen, nämlich dass
sich die Geschichte nur Aufgaben stelle, die sie auch lösen könne.
Als Absage an voluntaristisches Vorpreschen gedacht, ist sie in ihrer
Substanz extrem gefährlich: Wer bestimmt denn wann, wann die
Geschichte soweit ist? Marx selbst nutzte eine verständliche Logik:
Im Nachhinein haben wir gesehen, dass bestimmte Revolutionen
erfolgreich waren. Der Entwicklungsstand der Produktivkräfte war
ihren Zielen gemäß. Also wars wohl Zeit. Wer aber nennt uns
mittendrin den Augenblick? Ein Klub weiser alter Professoren? Man darf
mir doch nicht die Sorge verbieten, einmal alt geworden zu sein (wenn
auch weniger weise und bestimmt nicht Professor) und mir dann sagen
lassen zu müssen, dass wir wohl UNSEREN Moment verpasst haben …
Ich hatte mir für den Tag etwas
vorgenommen: Da ich zwar eine „alte“ Zusage von Dr. Klaus
Steiniger als „Rotfuchs“-Chefredakteur per Mail hatte, eine
längeren Text zur „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ als
Leserbrief veröffentlicht zu bekommen, immerhin als
Diskussionsanregung m.E. wertvoll, nicht bei der DDR stehen zu
bleiben, sondern nach unseren Zielvorstellungen neu zu fragen, und es
war nichts geschehen, sah ich im Verteilen eines Flyers die einzige
Möglichkeit, noch Aufmerksamkeit zu erreichen. Ich eilte also, die
Flyer auf die Sitze zu legen. Fast fertig wurde ich dann
„aufgegriffen“. Ob das denn abgestimmt, also erlaubt sei. War es
nicht und fast hätte ich schuldbewusst den Kopf gesenkt. Allerdings
sei ein Beschluss gefasst worden, es generell nicht zu erlauben. Eine
Frage wäre alöso gegenstandslos gewesen. Im verstopften kleinen
Vorraum sei es erlaubt, mein Ziel aber unerreichbar. Nachdem ich
entfernt war, wurden die Flyer entfernt. Ein verschwindend kleiner
Teil erreichte allerdings einen Empfänger, wie sich nachher
herausstellte, denn Vertreter aus Dresden, Rostock und Schwerin
sicherten im persönlichen Gespräch zu, das Thema wenigstens
insoweit zur Diskussion zu stellen, dass die Frage diskutiert würde,
ob ich denn einzuladen sei …
Mit der „Wut der Verzweiflung“
bestürmte ich nach der Maßregelung mit den Flyern unsern Klaus
Steiniger persönlich und er versicherte mir a) glaubhaft, dass er
sich an den Mailwechsel noch erinnerte und b) dass seine Zusage
weiter gilt i.S. „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ - die Zahl
der Leserbriefe übersteigt eben die der
Veröffentlichungsmöglichkeiten um das mehr als Sechsfache (meine
Rechnung). Also Geduld.
Bestimmte erhoffte Gesichter entdeckte
ich nicht, und dass ich so lange nicht mehr bei einer Berliner
Veranstaltung dabei gewesen war, rächte sich auch: Der
Regionalgruppen-Vorsitzende konnte mein Gesicht nicht (mehr)
zuordnen.
Wiljo Heinen traf ich zweimal. Zuerst
am Verlagsstand in jenem Vorraum, dann beim Kuba-Tag im Cafe Sybille.
Grins: Gelegentlich muss man darauf eingestellt sein, dass ganz etwas
Anderes herauskommt, als man sich vorher dachte. Des herrlichen
Herbstwetters wegen war eine Rundumsicht auf dem Dach des Gebäudes
in der ehemaligen Stalinallee mit fachkundigen Erläuterungen ein
richtiger Genuss. Dass ich Jürgens Marina wegen mich nicht so
verloren fühlen brauchte, war auch angenehm … und nun habe ich
wenigstens einmal an einem Mujito genippt ...
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